Kiesabbau am Niederhein

Was hat es auf sich mit dem Kies?

Der Regionalverband Ruhr (RVR) hat im August einen überarbeiteten Regionalplan veröffentlicht. Darin weist der RVR rund 1.000 Hektar Fläche für den Abbau von Kies und Sand in der Region aus. Es sind große neue Abgrabungen in Alpen, Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn und Rheinberg geplant.

Wofür wird Kies benötigt? 

Kies und Sand werden vor allem für die Herstellung von Beton eingesetzt. Im Bausektor werden sie beispielsweise für den Bau von Häusern und Straßen benötigt. Ab und zu wird der Rohstoff auch als Füllmaterial genutzt. 

Kies kann nicht überall abgebaut werden, die Rohstoffe sind örtlich begrenzt. Kies und Sand liegen vor allem in der Nähe von (ehemaligen) Flussläufen. In NRW befinden sich die Vorkommen deshalb vorwiegend entlang des Rheins und der einstigen Flussarme, wie am Niederrhein. 

Um welche Flächen geht es in Rheinberg?

Im Regionalplan werden insgesamt über 200 Hektar Flächen für den Kiesabbau in Rheinberg ausgewiesen. Es handelt sich dabei um drei Erweiterungen und zwei neue Abgrabungsflächen (sogenannte Potenzialflächen).

Folgende Flächen sollen erweitert werden:

  •  Wolfskuhlen Budberg Richtung Vierbaum (95,9 Hektar, das entspricht ca. 100 Fußballfeldern)
  •  Im Winkel (65,4 Hektar, das entspricht ca. 67 Fußballfeldern)
  •  Gelinde an der Alten Landstraße (14,1 Hektar, das entspricht ca. 15 Fußballfeldern) 

Zusätzlich gibt es eine neue Fläche zwischen Alpen-Drüpt und Rheinberg-Millingen von 76,3 Hektar (⅔ davon auf Rheinberger Gebiet, das entspricht noch einmal 50 Fußballfeldern) sowie zwei Flächen in Saalhoff (82,1 ha und 56,9ha), von der eine zum Teil auf Rheinberger Gebiet liegt.

Wieso wird so viel ausgekiest?

Bedarfsermittlung: 

Die rot-grüne Landesregierung hat 2011 einen Bedarfsbegriff eingeführt, um bei Genehmigung des Rohstoffabbaus genaue Mengenvorgaben machen zu können. Der Bedarf begründet sich aus dem Abgrabungsmonitoring des Geologischen Dienstes des Landes NRW. Außerdem wird die Landesrohstoffkarte berücksichtigt, die zeigt, wo welche Rohstoffe vorkommen. Ziel war es ursprünglich, objektive Kriterien einzuführen. Das hat aber nicht gut funktioniert und zu „Bedarfen” geführt, die viel zu hoch sind.

Aktuell wird nur mittels Luft- und Sattelitenbildauswertung ermittelt, was in den vergangenen drei Jahren abgebaut wurde. Das ist dann der Bedarf – unabhängig davon, wieviel Kies exportiert wird, ob irgendwo Kies gelagert wird, wie sich die Recyclingquote bei Baustoffen entwickelt usw. Der Bedarf entspricht also nicht der realen Nachfrage, sondern schützt lediglich die Versorgung privatwirtschaftlicher Interessen. Diese Art der Bedarfsermittlung wird aktuell durch die Städte Kamp-Lintfort, Rheinberg, Alpen und Xanten beklagt. Die Klage wird am 21. März um 10:30h am Oberverwaltungsgericht in Münster verhandelt.

Änderung des Landesentwicklungsplan

2019 hat die schwarz-gelbe Landesregierung im Landesentwicklungsplan (LEP) neue Ziele für die Rohstoffversorgung festgelegt. Dabei wurde der Versorgungszeitraum für Kies und Sand von 20 auf 25 Jahre erweitert. Das heißt, es müssen jetzt so viele Flächen ausgewiesen werden, dass die Kiesindustrie 25 Jahre lang sicher Kies abbauen kann. Für das Gebiet des RVR bedeutet dies eine Gesamtmenge von aktuell 25 mal 7 Millionen Kubikmeter Kies und Sand. Außerdem, so der neue LEP, darf die Versorgungssicherheit 15 Jahre nicht unterschreiten. Deshalb muss sich der RVR jetzt schon mit dem Regionalplan beschäftigen.

Die Landesregierung hat damit die Chance vertan, etwas gegen den Raubbau an Kies und Sand in unserer Region zu tun. Im Gegenteil müssen jetzt noch mehr Flächen für die Kiesindustrie vorgehalten werden.

Warum ist Kiesabbau problematisch?

Zerstörung der typischen Landschaft

Da Kies und Sand oberflächennah abgebaut werden, hinterlässt ihr Abbau große, je nach Grundwasserstand mit Wasser gefüllte Löcher, auch Baggerlöcher genannt. Der Kiesabbau zerstört damit Stück für Stück unsere Heimat und hinterlässt an vielen Stellen richtige Landschaftsruinen. Das Bild der Landschaft, die wir alle am Niederrhein kennen und schätzen und die so charakteristisch hierfür ist – die weiten, offenen Felder und Höfe, der Rhein und die Deiche – gehen mit immer mehr Kiesflächen verloren.

Flächenkonkurrenz

Immer neue Abbaustätten führen dazu, dass immer mehr Flächen einer anderen Nutzung entzogen werden. Das erhöht die sowieso schon starke Flächenkonkurrenz. Die Abbauflächen sind nicht mehr nutzbar für die Landwirtschaft, Naturschutz, Wohnen, Gewerbe oder in vielen Fällen auch nicht mehr als Naherholungsgebiet. Für viele Tiere und Pflanzen geht damit ihr Lebensraum verloren.

Folgen für Grundwasser

Kies und Sand sind endliche Ressourcen, die nie wieder nachwachsen können und aktuell einfach ungebremst entnommen werden. Kiesabbau führt außerdem zu einer Zerstörung der Bodendeckschicht, die das Grundwasser vor schädigenden Einträgen schützt. Unserem Trinkwasser, das fast überall am Niederrhein noch Grundwasser ist, droht langfristig eine massive Verschlechterung. Besonders kritisch sehen wir deshalb den Entschluss der Landesregierung, dass zukünftig auch in Wasserschutzgebieten ausgekiest werden darf. 

Folgen durch Starkregen?

Nach der Flutkatastrophe in diesem Sommer stellt sich auch die Frage, welche Auswirkungen solche in Zukunft voraussichtlich häufiger auftretenden Starkregen-Ereignisse auf Abgrabungsflächen in überschwemmungsgefährdeten Gebieten wie dem Niederrhein haben. Dazu müssen auch fundierte Untersuchungen erfolgen, um die doppelte Belastung durch den Steinkohle- und Steinsalz-Abbau und die Gefährdung durch Starkregen in den Auskiesungsgebieten zu untersuchen.

mehr Verkehr

Während der Abgrabung gibt es ein deutlich höheres Verkehrsaufkommen, was zu mehr Lärm und einer stärkeren Straßenauslastung führt. Außerdem stehen rund um die Auskiesungsfläche kilometerlange Zäune, die leider oft noch lange nach Ende der Abgrabung stehen bleiben, um die Verkehrssicherungspflicht des Betreibers zu erfüllen. Nur, wenn kein Mensch mehr die Anlagen betreten kann, sind Unfälle ausgeschlossen. 

fehlende Renaturierung

Damit kommen wir zum Thema Renaturierung: Ja, es gibt gute Beispiele für renaturierte Baggerlöcher. Diese sind aber die Ausnahme. Wer schon einmal durch Budberg, Vierbaum oder an der Alten Landstraße vorbeigefahren ist, sieht viele Baggerlöcher, die entweder von Zäunen umgeben oder aus anderen Gründen für Privatpersonen nicht begehbar sind. Die Renaturierung besteht bei einigen Flächen nur aus einer wild gewachsenen Brombeerhecke und steil abfallenden Ufern. Wir finden, das darf so nicht sein.